"Ergänzung Sonntag, 10.12.2017
Ein Segel, zwei Sachverständigengutachten, drei Hauptverhandlungen vier Jahre und fünf Richter/innen.
Da war doch noch was… Ja, genau. Hin und wieder werden wir angesprochen, was eigentlich aus unserem Rechtstreit mit der Firma Beilken Sails GmbH wegen unserer Genua geworden ist. Um es vorweg zu nehmen: Wir haben Recht bekommen und jede Menge Lebenserfahrung dazu gewonnen.
Ich fasse mal kurz im Groben zusammen, worum es eigentlich ging:
- Der Geschäftsführer von Beilken Sails GmbH hat mich im Herbst 2010 an Bord meines Bootes beraten und das Boot vermessen
- Am 08.10.10 wurde mir ein Angebot geschickt. U. a. für die Rollreffgenua mit 37,0 qm aus Hydra Net radial, 303 g/qm
- Am 11.10.10 kam die erste Auftragsbestätigung mit der Bedingung: Aufnahme der Fertigung nach Anzahlung von 50 %
- Am 15.11.10 wurde die Genua ohne mein Wissen fertigt gestellt
- Am 05.12.10 habe ich Änderungen zum Auftrag formuliert
- Am 09.12.10 folgte die aktualisierte Auftragsbestätigung
- Am 06.01.10 habe ich wie vereinbart 50% für die Fertigung angezahlt
- Am 11.02.11 habe ich den Restbetrag für die Rollreffgenua bezahlt und sie erhalten
- Am 10.04.11 habe ich u. a. reklamiert, dass die Salingverstärkung in falscher Höhe ist und dass das Vorliek zu kurz ist. Ein Foto zeigt 25 cm Platz am Aluminiumprofil. Ich habe dann das Segel zur Änderung der Salingverstärkungen nach Lemwerder gebracht
- Am 27.09.12 hat der Geschäftsführer der Beilken Sails GmbH die Rollreffgenua das erste Mal an Bord in Augenschein genommen, da er ein Angebot für eine Selbstwendefock machen sollte und um meine Bedenken bezüglich der Rollreffgenua anzuhören. Ich hatte bereits zwei Meinungen von anderen Segelmachern zu seinem Segel eingeholt. Einer von Ihnen hat sie später geändert. Für den Geschäftsführer der Beilken Sails GmbH war aber alles bestens
- Als ich ihm am 30.09.12 mitgeteilt habe, dass ich die Selbstwendefock bei CO-Segel fertigen lasse, hat er mir nach etwas Email Korrespondenz am 04.10.12 eine Rechnung in Höhe von € 220,15 für das Ausmessen der Selbstwendefock und für die Beratung zum Segeltrimm der Roll-Reff-Genua vor Ort berechnet. Aus der Email Korrespondenz nur ein Zitat: „Ich war bei Ihnen nie aus After Sales Gründen, sondern zum Aufmaß der SW Fock“
- Nachdem die Beilken Sails GmbH die Frist für eine angebotene Mediation verstreichen lassen hat, haben wir über die Qualität des Segels ein selbstständiges Beweissicherungsverfahren eingeleitet
- Auch danach gab es kein Entgegenkommen von der Beilken Sails GmbH und deshalb hatten wir eine Klage auf Minderung des Kaufpreises eingereicht. Anmerkung: Wir sind nicht rechtsschutzversichert und nicht klagewütig. Da aber der Geschäftsführer sämtliche Angebote einer außergerichtlichen Einigung abgelehnt hatte, blieb uns keine andere Wahl, unsere Ansprüche durchzusetzen.
Dies war mein zweiter Rechtstreit und hoffentlich der letzte, den ich beim Amtsgericht Bremen geführt habe. Vor 28 Jahren hatte ich meinen ersten Rechtstreit, bei dem es um einen Ruderschaden ging. Beim Amtsgericht reichte ein Gutachten von einem Sachverständigen, den ich selbst beauftragt hatte, für ein klares Urteil. Vom Landgericht wurde dann ein weiteres Gutachten auf Basis der Aktenlage bestellt. Als Ergebnis habe ich nach nur einem Jahr mit zwei Instanzen meine eingeklagte Forderung und alle Auslagen erhalten.
Bei diesem Rechtstreit hat die erste Instanz beim Amtsgericht Bremen von der Beauftragung eines Beweissicherungsgutachtens bis zum Urteil vier Jahre gedauert. Zuvor hatte die Beilken Sails GmbH alle meine Versuche einer gütlichen Einigung inklusive einer moderierten Mediation abgelehnt. Während unserer Zeit in der Karibik hatte ich sogar schon einem Vergleich des dritten Richters bedingungslos zugestimmt, d. h. € 450,00 und 7/10 der Kosten. Damit hätte ich zwar mehr bezahlt als ich bekommen hätte, aber der Rechtstreit wäre damit beendet gewesen.
Die € 450,00 wollte die Beilken Sails GmbH zwar ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und jegliches Präjudiz an mich leisten, sofern es dem Rechtsfrieden und der Kundenzufriedenheit dienlich sein sollte. Die 3/10 der Kosten wollte sie aber nicht übernehmen.
Dieses Jahr wurde dann die Beilken Sails GmbH verurteilt € 500,00 sowie die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits zu zahlen. In der Zwischenzeit ist das Urteil rechtskräftig und die Konten sind ausgeglichen. Wie ist es zu dem ausgeurteilten Betrag von € 500,00 gekommen:
„Bei der Schätzung nach § 287 ZPO hat das Gericht berücksichtigt, dass der Kläger letztlich von der Funktion her im Grunde eine Roll-Genua anstelle einer Roll-Reff-Genua erhalten hat und dass auf Grund der Ausführungen des Sachverständigen zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass der Mehrwert einer Roll-Reff-Genua im Vergleich zur Roll-Genua bei etwa € 500,00 anzusiedeln ist“
Ach ja, nachdem wir damals nach einem weiteren Vergleichsversuch des dritten Richters nicht 100% der Kosten übernehmen wollten, hat er entsprechend seiner Ankündigung den von der Beilken Sails GmbH vorgeschlagenen zweiten Gutachter aus Schleswig-Holstein bestellt. Gegen eine mögliche andere Sachverständige aus Mecklenburg-Vorpommern hatte die Beilken Sails GmbH Bedenken geäußert. Daraufhin gab es von uns einen Befangenheitsantrag gegen den Richter, den er bis zu seiner Versetzung zum Landgericht nicht bearbeitet hat. Die vierte Richterin hat den vorgeschlagenen Sachverständigen weiterhin beauftragt und unter hohen Kosten zu dem von ihr mit nur 30 Minuten veranschlagten zweiten Verhandlungstermin eingeladen. Nachdem sie sich u. a. erklären ließ was Reffen heißt, waren die 30 Minuten auch schon vorbei. Die dritte Hauptverhandlung leitete dann die fünfte Richterin, da die vierte Richterin wie auch schon die erste in Mutterschutz gegangen war.
Mir tun die Kläger leid, bei denen es nicht um kleine Beträge, sondern um ihre Existenzgrundlage beim Amtsgericht Bremen geht. Unser Anwalt kennt viele solcher Fälle.
Fazit: Wer heutzutage sein Recht bekommen will, muss im Vergleich zu früher einen sehr langen Atem haben und in Kauf nehmen, dass ein Rechtstreit noch mehr Lebensqualität kostet.
Im Übrigen sind wir mit der Verarbeitungsqualität der Genua von der Beilken Sails GmbH und mit den Änderungen durch CO-Segel sehr zufrieden. Wenn unser Hanseat 70 längere Genuaschienen hätte, wäre die Genua lt. Gutachten auch als Roll-Reff-Genua und nicht als Roll-Genua einsetzbar gewesen. Vorort gemessen hat der Geschäftsführer der Beilken Sails GmbH persönlich."
Wir konnten jetzt Papierseekarten von einem Rückkehrer aus der Karibik übernehmen!
Die Nordseekartensätze aus diesem Jahr, junge Karten durch den Englischen Kanal bis Gibraltar und dem Atlantik, sowie teilweise Antiquariatische Karibikkarten. Aber in der Karibik kann die letzte Vermessung schon mal 100 Jahre her sein, nur der Druck der Seekarten ist dann aktuell. Unser ältestes Stück ist eine Karte von Kuba aus unserem Geburtsjahr 1964 mit Berichtigungen bis 1972 und Basisdaten von 1938.
Auch bei den neuesten Karten heißt es immer Augen auf! , da z. B. Tonnen vertrieben oder gesunken sein können. Im Watt haben wir uns dann z. B. anhand des Oberflächenwassers und des Wellenbildes orientiert, die in Abhängigkeit der Tiefen und Strömungsgeschwindigkeiten unterschiedlich sind.
Mit unserem Jollenkreuzer haben wir damals auch nicht alle Wattfahrwasser und Priggenwege folgen müssen (Jetzt gibt es da Fahrverbote aus Naturschutzgründen). Erst mit unseren Kielschiffen haben wir nicht mehr so viel abgekürzt und sind mehr nach Seezeichen als nach „Wasserzeichen“ gefahren.
In der Karibik soll man sich in Bezug auf die Wassertiefen gut an der Wasserfarbe orientieren können und dazu möglichst beim Kurs Richtung Ankerbucht die Sonne im Nacken haben. So wie man auf der Nordsee, im Englischen Kanal und der Atlantikküste beim Ein- und Auslaufen zeitlich von der Tide abhängig ist, wird es in der Karibik der Sonnenstand sein. Wobei man beim Auslaufen der aufgezeichneten Wegstrecke des Kartenplotters folgen kann.
Als wir 1988 die Ostfriesischen Inseln und 1989 über Helgoland die Nordfriesischen Inseln besucht haben, mussten wir noch mit Kompass, Lot, Logge, Strömungs- und Tidentabellen sowie mit Taschenrechner, Navigationsbesteck und Papierseekarten navigieren. Einen Funkschein habe ich auch erst 1990 gemacht. Erst einige Jahre später hatten wir unser erstes GPS Navigationsgerät, das uns dann eine präzisere Position lieferte und den Steuerkurs anzeigen konnte.
Seit 2008 navigieren wir noch komfortabler mit einem Seekartenplotter und seit 2011 werden zusätzlich Radar- und AIS-Signale angezeigt.
Dadurch benötigen wir die Papierseekarten in erster Linie nur noch dafür, einen besseren Überblick in unbekannten Gewässern zu bekommen.
Apropos elektronische Seekarten. Für unseren Kartenplotter werden wir kurz vor der Abreise aktuelle Seekarten kaufen und für unsere beiden Notebooks mit separatem GPS-Empfänger haben wir schon alle Seekarten mit entsprechendem Programm installiert. Für sie ist auch schon ein professionelles Strömungs- und Tidenprogramm avisiert.
Ein Notebook und GPS-Empfänger werden wir an Bord in Alufolie einpacken und als Ersatz nutzen können, falls ein Blitz unsere Hauptnavigationselektronik lahm legen sollte. Wir hätten in so einem Fall auch noch unseren alten Hand-GPS-Plotter sowie unser Sattelitentelefon und Handfunkgerät jeweils mit GPS-Empfänger zum Schutz vor Überspannungen im Backofen liegen. Zusammen mit den Papierseekarten hätten wir nach einem Blitzeinschlag noch reichlich Navigationsequipment als Reserve - aber wohl auch reichlich andere Probleme.
Ob wir auch einem Sextanten mit den benötigten Tabellen mitnehmen werden steht noch in den Sternen, aber mit der Sternennavigation werden wir uns ganz sicher in schönen Nächten auf See beschäftigen.

